Montag, 7. März 2011

New York 2011 reloaded - Großes Kino am Abreisetag

Jasper Johns, Flags
Über Nacht ist die Regenfront abgezogen. Um 6:30 Uhr starten wir zu unserer Abschlussrunde im Central Park. Es ist feucht, wolkig und ziemlich frisch, also ähnlich wie meistens zu dieser Jahreszeit auch in Deutschland. Heute laufen wir noch einmal die Antje-Runde. Wir sind recht gut unterwegs und am Ende einige Minuten schneller als bei unserer Auftaktrunde vorgestern. Den Central Park werden wir vermissen, aber es soll ja kein Abschied für immer sein. Mit etwas Wehmut denken wir an den bevorstehenden Abschied. 1 - 2 zusätzliche Tage wären wir gerne noch geblieben. Immerhin erleben wir heute auf unserer kurzen Kulturreise noch einmal einen Höhepunkt, den wir in dieser großartigen Dimension nicht erwartet haben. 






Nach einem Lauf von ca. 1,5 Stunden lässt sich das Frühstück im Hotel engagiert angehen. Wir sind auch heute mit dem Angebot völlig zufrieden. Die New York Times berichtet, der neue deutsche Innenminister Friedrich habe zur Frage der Integration islamischer Bürger eine Stellungnahme abgegeben, die als Replik auf die Rede des türkischen Premiers Erdogan vom 28.02.2011 in Deutschland verstanden wird. Bemerkenswert, weil neu für uns, wie aufmerksam und differenziert eine US-Zeitung diese Affaire publiziert.

Gegen 10:00 Uhr verlassen wir das Hotel. Die Stadt erstrahlt im sonnigen Morgenlicht, das sich vielfach in den verspiegelten Hochhausfassaden bricht und eine magisch-heitere Atmosphäre erzeugt. Drei Tage Sonnenschein und nur einen Regentag können wir verbuchen. Das haben wir erhofft, ist aber deutlich mehr, als wir erwarten durften.

Unser Abschlussprogramm gilt dem Museum of Modern Art (MoMA), das nach zweijähriger Umbau- und Neubauphase im Jahr 2004 wiedereröffnet wurde. Das MoMA zieht jährlich die für ein Museum unglaubliche Menge von 3 Millionen Besuchern an. Trotzdem hat uns das MoMA architektonisch in der uns bislang bekannten ehemaligen Gestalt nicht gefallen. Es war so eng wie verwinkelt und konnte darum größeren Formaten nicht den Raum geben, in dem diese Werke erst ihre Wirkung entfalten. Vor allem aber war das MoMA für seinen grandiosen Bestand viel zu klein und musste darum Werke von Weltgeltung im Fundus lagern. Wir wollen uns heute einen Eindruck verschaffen und sind natürlich gespannt, wie sich das neue MoMA präsentiert. Angezogen hat uns jedoch vor allem eine Sonderaustellung des Abstrakten Expressionismus, auf die eine Besprechung der FAZ uns aufmerksam gemacht hat.


Die Architektur des japanischen Architekten Yoshio Taniguchi ist im besten Sinne überwältigend, ein Meisterwerk, das alleine den Besuch lohnt, aber auch nicht weniger als 860 Millionen Dollar gekostet haben soll. Ein lichtdurchfluteter großer Innenhof, der fast nahtlos in einen großen offenen Skulpturengarten übergeht, verleiht dem Komplex eine fast schon paradoxe minimalistische Großzügigkeit, die wir früher vermisst haben. Die Ausstellungsräume sind so perfekt konzipiert, wie wir es bisher nirgendwo angetroffen haben. Trotzdem ist der verfügbare Raum in Anbetracht des riesigen Bestandes und seiner exzellenten Qualität nicht ausreichend. Eine Erweiterung befindet sich bereits in der Planung.






Die dezente Harmonie der Architektur bildet bereits ein Kunstwerk, das sich aber immer in den Dienst der präsentierten Werke stellt und diese so in Szene setzt, dass auch die Kunstwerke in diesen Räumen an Ausstrahlung gewinnen. Immer wieder eröffnen sich spannende Blicke nach innen in die offene Architektur, aber auch nach außen in die Stadt, so dass auch die umgebende Außenarchitektur kunstvoll in Szene gesetzt wird. Wir verstehen die Absicht des Architekturkonzeptes als Beitrag der Vermittlung oder Grenzauflösung zwischen den inneren Heiligtümern und der äußeren Welt, weil das Innere nicht eingeschlossen und das Äußere nicht ausgeschlossen bleibt. Das bezaubernde Sonnenlicht steigert insbesondere am Morgen noch einmal die Wirkung.

Von der Sonderausstellung des Abstrakten Expressionismus könnten wir lange schwärmen, es kann jedoch kaum gelingen, dieser großartigen Ausstellung in wenigen Sätzen gerecht zu werden. Darum wollen wir das erst gar nicht versuchen. Die Ausstellung konzentriert sich auf Künstler, die in den USA gelebt und gearbeitet haben und präsentiert die Hauptvertreter jeweils mit etlichen ihrer Hauptwerke, so dass sich auch Entwicklungen bzw. Veränderungen der einzelnen Künstler und wechselseitige Bezüge nachvollziehen lassen. Zentral sind natürlich Jackson Pollock, Mark Rothko, Willem de Kooning, Cy Twombly, Robert Motherwell, Barnett Newman, Franz Kline und Helen Frankenthaler. 






















































Darüber hinaus sind weitere Künstler vertreten, die uns jedoch weniger bekannt sind. In dieser Qualität und Dichte haben wir Werke dieser Künstler bisher nur in Einzelausstellungen erlebt, aber noch nie in einer Sammelausstellung dieser Güte. Für uns ist das ein echter Glückstreffer und ein Höhepunkt unserer Reise. Ein Vergleich mit Vertretern des europäischen Informel bzw. dem Tachismus (z.B. Hans Hartung, Georges Mathieu oder Wols) sieht das Ausstellungskonzept nicht vor. Wir bedauern das ein wenig, weil wir uns an die spannende Konfrontation in der Westkunst-Ausstellung von 1981 in Köln erinnern.


Auch wenn die Sonderausstellung alles andere überstrahlt, sind die Exponate des Präsenzbestandes unbedingt einen Besuch wert. Ein Rundgang durch ein Haus dieser Größe erfordert eine gewisse Konzentration bzw. Auswahl. Wir konzentrieren uns auf die Malerei und finden auch hier ein Kompendium der Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts, das von vielen schwergewichtigen Künstlern repräsentiert wird: Vincent van Gogh, Claude Monet, Pablo Picasso, Paul Cézanne, Joan Miró, Max Ernst, Marcel Duchamp, Jean Dubuffet, Paul Klee, Salvador Dali, Kasimir Malewitsch, László Moholy-Nagy, René Magritte, Giorgio de Chirico, Francis Bacon, Lucien Freud, Andy Warhal, Frank Stella, Jasper Johns, Robert Rauschenberg und viele andere sind mit Hauptwerken präsent, die in diesem Rahmen einen würdigen Platz einnehmen. Bezüglich der Pop Art haben wir jedoch auch heute wieder den Eindruck, dass die Sammlung im Kölner Museum Ludwig im Vergleich von größerer Bedeutung ist (was natürlich ausschließlich das Verdienst des Ehepaares Ludwig als Sammler und Stifter wäre). Italienische Künstler sind ausgesprochen stark vertreten. Die meisten Künstler und deren Werke sind uns unbekannt, was wir schade finden. Da scheinen wir doch bisher etwas übersehen zu haben.




Video-Installationen und eine Sonderaustellung über Picassos Gitarrenphase (1912-1914) lassen wir aus. Die Abteilung Architektur und Design streifen wir nur kurz. Das Konzept vermittelt, dass die Moderne auf den Schultern von Werkbund und Bauhaus steht, letztere jedoch mit ihren formalen Ideen auch ein inhaltliches Programm in der Tradition der Aufklärung verbinden. Für die politische Landschaft dieser Zeit war der Geist der Aufklärung ein Gift, das nicht geduldet war. Auch darauf macht das Programm aufmerksam.

Eine Sonderausstellung der Abteilung Design ist dem Thema "Küche" gewidmet. Einen breiten Raum erhält die sog. „Frankfurter Küche“, die mit einer  Rekonstruktion anschaulich gemacht ist. Wir erkennen viele Selbstverständlichkeiten des Alltagtags unserer Kindheit wieder, die wir erst im Rückblick bewußt wahrnehmen.

Weitere Themenfelder widmen sich dem Tanztheater und dem Filmtheater. In zwei Filmtheatern finden täglich Fimvorführungen statt. Eine besondere Würdigung erfährt der deutsche Film der Weimarer Zeit. Aus zeitlichen Gründen konnten wir diese Themen ebenso wenig vertiefen wie das Feld der Fotografie, das selbstverständlich ebenfalls aufbereitet ist.

Es gibt wieder einen Grund mehr, ab und zu nach New York City zu reisen!

1 Kommentar:

  1. Ihr macht mich neidisch aber ich freue mich fuer Euch dass Ihr das alles sehen und erleben koennt. Tolle Documentation!

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